Bericht von Oliver Blaskowitz, 1999
ENSAE und das Doppeldiplom unter 4 Gesichtspunkten
Die Ecole Nationale de la Statistique et de l'Administration Economique (ENSAE) und das Doppeldiplom kann man unter 4 Aspekten betrachten : das Doppeldiplom, die Schule, das Lehrprogramm und die Sprache.
Das Doppeldiplom
Es dauert 3 Jahre. Ihr erhaltet das
Diplom der ENSAE
(Statisticien Économiste) und das der
HUB
(Diplom-Volkswirt). Um den Statisticien Economiste zu erhalten, muss
man 3 Jahre an der ENSAE
studieren. Im dritten Jahr hat jeder Schüler die Möglichkeit ein Jahr
im Ausland zu studieren. Hier gibt es zum Beispiel Abkommen mit der LSE,
der Uni Köln und der HUB.
Nehmt Ihr am Doppeldiplom teil, dann studiert Ihr im ersten und zweiten Jahr
der ENSAE. Im dritten geht Ihr ins
"Ausland" an die HUB. Hier wird
dann komplettiert, d.h. alle die Vorlesungen besucht, die für das
HUB-Diplom nötig
sind und noch nicht an der ENSAE
gehört wurden, plus die Diplomarbeit für die
HUB geschrieben.
Die Vorteile, die das Doppeldiplom Euch bietet, sind zahlreich. Im Zuge der
europäischen Vereinigung und dem einheitlichen Binnen- und Arbeitsmarkt
ist die Kenntnis der deutschen Partnerstaaten in der Union fast schon
ein Muß. Ein deutsch-französisches Doppeldiplom bestätigt die Kenntnis
der Sprache und Kultur eines der einflußreichsten Partnerländer.
Mit der Teilnahme lernt Ihr nicht nur eine weitere Schuleinrichtung
kennen, Ihr findet auch neue Freunde in Frankreich und tragt dort zur
Völkerverständigung bei.
Durch einen Auslandsaufenthalt fördert Ihr eure Persönlichkeit und
Selbständigkeit. Im Lebensauf stellt Ihr Mobilität unter Beweis.
Dann gibt es da noch das deutsch-französische Doktoranden-Seminar des
Graduiertenkollegs (1 Jahr Berlin, 1 Jahr Paris) , das Euch nochmal
zwei Abschlüsse gleichzeitig ermöglicht. Hierfür seid Ihr dann bestens
gerüstet.
Darüberhinaus bietet ein Doppeldiplom der
HUB und der
ENSAE auch außerhalb von
Deutschland und Frankreich sehr gute Job-Ausssichten.
Die Schule
Sie befindet sich im Pariser Vorort
Malakoff, eine Minute Fußweg vom Périphérique und 30 Minuten Metroweg
von Châtelet entfernt. Das Schulgebäude ist im Verhältnis zu dem der
HUB sehr jung.
Ausgestattet mit 8 PC-Säalen (viele 300 Mhz's), einem
Schüler-Lehrkörperverhältnis von gut 1:1 und einem permanent gefüllten
Frigo in der k-fet (die Bar), werden ideale Lernvorraussetzungen
geboten.
Bei meiner Ankunft bin ich vorbildlich empfangen worden. Die
Verantwortlichen der Schule waren sehr hilfsbereit. Sie haben mir
jegliche administrative Hürde abgenommen, so daß ich mich auf das
Auffinden des Passerelles zur Verwaltungsetage der Schule im
INSEE beschränken
konnte.
Jährlich findet ein WEI (weekend d'intégration) statt. Dafür wird das
Wochende verlängert (d.h. der Freitag gestrichen) und eine Reise mit
fast allen Schülern veranstaltet. Letztes Jahr waren wir an der
französischen Atlantikküste. Beim WEI wird in der Regel versucht, den
Erstklässlern zu zeigen, wie gefetet wird. Die Zweitklässler organisieren
ausserdem peinliche Spiele, die die Erstklässler dann ausführen müssen.
Ich freue mich auf das WEI im 2. Jahr.
Ebenfalls jährlich findet das Treffen mit der LSE statt. Man sieht
sich abwechselnd in Paris oder London. Dabei kämpfen wir dann
gegeneinander, auf dem Sportplatz (Fußball, Rugby, Squash, Basketball,
Volleyball). Letztes Jahr wurden wir dezent auf englischem Boden
abgefertigt. Die angelsächsische Gastfreundschaft verbietet es,
jemanden so wieder nach Hause zu schicken. So folgte dann eine
Einladung zum Essen nach dem Sport und zur Fete im Pub der LSE mit
Disco. Dort begann ich dann zu vergessen, d.h. im Antlitz vieler hübscher
Engländerinnen.
Desweiteren gibt es da noch die jährliche Ski-Reise und diverse andere
Reisen (z.B. letztes Jahr nach Rom), an denen ich nicht teilgenommen
habe. In der k-fet bedient sich jeder selber und muß dann die
Konsommation in seinem Konto, das in einem dicken roten Buch geführt
wird, selbständig verbuchen.
Die Schule bietet viel.
Das Lehrprogramm
Im ersten Jahr gibt es zwei Gleise. Zum
einen die Klasse Mathematik. Sie besteht aus knapp 45 Schülern, die in
den Classes Préparatoires Mathematik studiert haben. Zum anderen die
Klasse Economie (30 Schüler). Sie haben weniger Mathe-Vorkenntnisse und
in der Regel Economie mit immer noch viel Mathematik studiert.
Das erste Jahr Economie teilt sich zu 50% in Mathematik und zu 50% in
andere Inhalte, wie Economie, Informatik, Sprachen auf. Im Bereich
Mathematik wird einiges vorausgesetzt. So sollte man die
Beweistechniken der höheren Mathematik kennen und ein fortgeschrittenes
Niveau in Algebra und Analyse besitzen.
Eine Vorlesung dauert zwei Stunden zehn Minuten mit einer Pause von
fünf Minuten. Auf zwei Mathe-Vorlesungen kommt in der Regel eine
Übungssitzung (ebenfalls 2:10 h). Der Stundenplan ist so ausgerichtet,
daß man den Tag über in der Schule beschäftigt ist. Ein Unterschied zur
Universität besteht meines Erachtens darin, daß man mehr in der Schule
mit Professoren arbeitet, als zu Hause mit den Büchern. Man sollte
bereits im Untericht verstehen, um dann zu Hause die Übungsaufgaben zu
lösen. Die Zeit erlaubt es eigentlich nicht, komplette Vorlesungen
nachzuarbeiten.
Die Schule verlangt viel.
Die Sprache
Aufgrund des schwergewichtigen Anteils an Mathematik im Programm des ersten Jahres an der ENSAE, werden weniger französische Schreibfertigkeiten verlangt. Was aber wichtig ist, sind das verbale Verständnis (um im Kurs zu verstehen) und ein ausreichendes Sprechvermögen (um Rückfragen stellen zu können). Auf jeden Fall solltet Ihr permanent einen Französischkurs belegen, um den maximalen Lernerfolg zu erzielen. Diese werden selbstverständlich an der Schule angeboten, ohne ins Sprachenzentrum wechseln zu müssen. Nach zwei Jahren seid Ihr zwar nicht perfekt, jedoch richtig gut.
Bericht von Oliver Blaskowitz
Paris - Issy Les Moulineaux, der 12. September 1999