Humboldt-Universität zu Berlin - Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät

Detaillierte Beschreibung des Studiums an der ENSAE


Allgemeines

Die Ecole Nationale de la Statistique et de l'Administration Économique (ENSAE) bietet ihren Studierenden eine gleichermaßen fundierte wie weitgefächerte Ausbildung auf dem Gebiet der quantitativen, theoretischen und politischen Analyse wirtschaftswissenschaftlicher Fragestellungen auf anerkanntermaßen hohem Niveau.

Die Hochschule wurde 1942 gegründet, um Volkswirte und Statistiker auszubilden, die später Leitungsfunktionen in staatlichen Behörden oder in privaten Unternehmen übernehmen werden. Sie untersteht dem statistischen Zentralamt Frankreichs, dem Institut de la Statistique et des Etudes Economiques (INSEE), welches seinerseits dem Ministerium der Finanzen unterstellt ist. Die Unterrichtsräume der Hochschule befinden sich derzeit noch im Pariser Vorort Malakoff neben dem Sitz des INSEE, ein Umzug nach Palaiseau auf den Campus der Ecole Polytechnique ist für 2015 geplant.

Ungefähr ein Drittel der Studierenden der ENSAE sind bereits (auf Probe) verbeamtet und verpflichtet, nach dem Abschluß des Studiums für mehrere Jahre in der öffentlichen Verwaltung – z. B. im INSEE, im Finanzministerium oder der Banque de France – Forschungs- und Führungsaufgaben zu erfüllen („élèves fonctionnaires“). Die übrigen Studierenden („élèves titulaires“) nehmen überwiegend Posititonen in der gewerblichen Wirtschaft – Banken und Versicherungen, Großindustrie, Unternehmensberatung, Meinungsforschungsinstitute – ein.


Im Vergleich

Obwohl sie mit insgesamt nur knapp 400 Studierenden eine sehr kleine und daher in der breiten Öffentlichkeit selbst in Frankreich auch nicht sehr bekannte Hochschule ist, genießt die ENSAE sowohl im Bereich der statistischen und ökonomischen Forschung als auch unter den potentiellen späteren Arbeitgebern (insbesondere Kreditwirtschaft) einen exzellenten Ruf. Sie hat den Rang einer „Grande Ecole“ und gehört damit zum Kreis ausgesuchter, besonders geförderter Hochschulen (wie z. B. auch: Ecole Normale Supérieure, Ecole Polytechnique, Institut des Etudes Politiques, Ecole des Ponts et Chaussées, Ecole des Mines).


Fachlehrkräfte

Die ENSAE ist in der Lage, die besten Professoren des In- und Auslands auf Honorarbasis für mehrwöchige Vorlesungen und Seminare zu gewinnen. Abgesehen von einer kleinen Anzahl fest angestellter Lehrkräfte unterrichten die meisten Dozenten an anderen Universitäten Frankreichs oder gehören dem Forschungsinstitut CREST (Centre de Recherche en Economie et Statistique) an, das wie die ENSAE ebenfalls dem INSEE untersteht. Diese Vorgehensweise erlaubt es der Hochschule, die Lehrkräfte nach Maßgabe des angestrebten Kursangebots sowie der wissenschaftlichen und didaktischen Reputation des Professors auszuwählen. In regelmäßigen Abständen bewertet eine „commission d'études“, die sich aus Mitgliedern der Schulleitung und Vertretern der Studierenden zusammensetzt, die Qualität der Lehrveranstaltungen auf der Grundlage der von den Teilnehmern ausgefüllten Evaluierungsbögen. Dies ermöglicht es relativ schnell auf die Rückmeldungen der Studierenden einzugehen.


Ausstattung

Die ENSAE ist sehr gut ausgestattet: Dies gilt für den Zugriff auf die wissenschaftliche Literatur ebenso wie für die Bereitstellung von Computerplätzen. Zu fast allen Lehrveranstaltungen wird ein, mitunter mehrere Bände umfassendes, Skript an die Studierenden ausgegeben. Für die kleine Hochschule hält die Bibliothek über dreißig (angelsächsische und französische) Fachzeitschriften; falls ein gesuchter Artikel nicht vorhanden sein sollte, kann auf den weitaus größeren Bestand der Bibliothek des INSEE im Gebäude nebenan zurückgegriffen werden. Die Standardlehrwerke sind so oft vorhanden, dass die Leihfrist für diese Bücher zum Teil fünf Monate betragen kann. Jeder Student hat Zugang zu den sieben sehr modernen Computerräumen, die täglich elf Stunden geöffnet sind, und erhält nach der Immatrikulation automatisch eine e-mail-Adresse und Zugang zum Intranet.


Vorbereitung

Die französischen Bewerber um einen der 120 jährlich zu besetzenden Studienplätze an der ENSAE müssen sich einem Auswahlverfahren unterziehen, in dem unter anderem analytische Fähigkeiten, der schriftliche Ausdruck und Fremdsprachenkenntnisse überprüft werden. Die erfolgreichen Kandidaten haben größtenteils nach dem Abschluss der Oberschule die zweijährigen „classes préparatoires“ – oft mit mathematisch- naturwissenschaftlicher Ausrichtung – besucht oder bereits einen Abschluss („Maîtrise“) an einer Universität in Ökonomie, Mathematik oder Statistik erworben. Vierzig Studienplätze sind jedes Jahr für die Absolventen der Ecole Polytechnique reserviert.


Zusammenfassung

Die kontinuierliche Überwachung der fachlichen wie auch didaktischen Leistungen der Lehrbeauftragten, die Gewährleistung optimaler Studienbedingungen sowie die strenge Auswahl der Studierenden stellt sicher, dass die ENSAE eine anspruchsvolle umfassende Hochschulausbildung auf den Gebieten der Volkswirtschaftslehre, der Statistik und einiger Nachbarwissenschaften (BWL, Soziologie, Demographie, Informatik) anbieten kann, die sich am aktuellen Stand der Forschung und an den praktischen Anforderungen der Privatwirtschaft orientiert. Die Qualität der Ausbildung sichert den Absolventen der ENSAE einen entscheidenden Wissens -und Erfahrungsvorsprung gegenüber ihren Kommilitonen von den großen Universitäten auf dem Arbeitsmarkt, der sich in höheren Einstiegsgehältern, sicheren, zumeist unbefristeten Arbeitsverhältnissen und größeren Aufstiegschancen niederschlägt.


Details zum Studienablauf

Das Studium an der ENSAE umfasst drei Jahre und wird mit dem Erwerb des berufsbefähigenden Diploms “Statisticien Economiste“ abgeschlossen.

Im ersten Studienjahr werden die Grundlagen der mathematischen und elementaren wirtschaftstheoretischen Modellierung gelegt, die für das weitere Studium unabdingbar sind. Auf diese Weise wird erreicht, dass alle Studierenden zu Beginn des zweiten Studienjahres über einen einheitlichen Wissensstand verfügen. Für einige Kandidaten, die in den meisten Fällen bereits einen Abschluss einer anderen Grande Ecole (vor allem Ecole Polytechnique) vorweisen können, besteht die Möglichkeit, das erste Studienjahr zu überspringen und lediglich die verbliebenen zwei Jahre an der ENSAE zu absolvieren. Diesen „Direkteinsteigern“ werden Brückenkurse auf den Gebieten Wahrscheinlichkeitsrechnung, deskriptive Statistik, Statistik empirischer Datenerhebung, volkswirtschaftliche Gesamtrechnung sowie eine Einführung in die Informatik angeboten.

Im zweiten Studienjahr werden die Kerngebiete der Volkswirtschaftslehre und der quantitativen Fächer in folgenden Vorlesungen behandelt:
  • Mikroökonomik,
  • Makroökonomik,
  • Mathematische Statistik,
  • Ökonometrie,
  • Zeitreihenanalyse.

Dieses Kursangebot trägt der Zweigleisigkeit der Ausbildung an der ENSAE – statistisch-ökonometrische Verfahren auf der einen, wirtschaftstheoretische und wirtschaftspolitische Analyse auf der anderen Seite – Rechnung. Sämtliche Studierende müssen im zweiten Studienjahr wählen, ob sie den Schwerpunkt auf den quantitativen Fächern („option mathématiques appliquées“) oder auf den ökonomischen Fächern („option économie“) legen wollen. Entsprechend variiert das Kursangebot. Zu jeder Vorlesung findet eine Übung („travail dirigé“) statt, in der die Aufgaben, die eine Woche zuvor ausgeteilt worden sind, in Kleingruppen besprochen und gelöst werden.

Darüber hinaus folgen die Studierenden Vorlesungen, die die Aufmerksamkeit auf ergänzende oder vertiefende Teilgebiete der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften lenken, sowie Kurse in denen die Studierenden eine vorgegebene Fragestellung in der Gruppe angeleitet durch namhafte Wissenschaftler oder Theoretiker aus der freien Wirtschaft bearbeiten. Schließlich gibt es Kurse, in denen der Einsatz und die Handhabung verschiedener statistischer Softwares erlernt werden.

Nachdem die Studierenden im zweiten Studienjahr einen komprimierten Überblick über die Standardmodelle der Ökonomie und Statistik gewonnen haben, dient das dritte Studienjahr zur Spezialisierung und damit auch zur beruflichen Orientierung. Die Studierenden im Doppelabschlussprogramm absolvieren dieses dritte Jahr allerdings nicht an der ENSAE, sondern an ihrer Heimatuniversität. Während in einigen Vorlesungen die theoretischen Überlegungen aus dem zweiten Jahr vertieft und verfeinert werden, dienen andere Lehrveranstaltungen der praktischen Anwendung des bisher Erlernten. Die Studierenden können hierzu aus verschiedensten Vertiefungsbereichen wählen. Auch im dritten Jahr ist die statistische und/oder ökonomische Untersuchung eines eng umrissenen Themas in Gruppen von je vier Studierenden vorgesehen. Diese werden dabei von Personen betreut die beispielsweise für eine Versicherung oder ein Marktforschungsinstitut oder im Finanzministerium hauptberuflich arbeiten. Diese Vorgehensweise hat den Vorzug, dass nicht nur die Problemstellung "aus dem richtigen Leben gegriffen" ist, sondern dass sich auch die Art der Lösung dieses Problems an den derzeit üblichen professionellen Maßstäben orientiert.

Kursübersicht

Die vollständige Übersicht über die für die einzelnen Studienjahre angebotenen Lehrveranstaltungen, deren Umfang und Unterrichtsinhalte können dem "Programme des enseignements" für das entsprechende akademische Jahr entnommen werden.


Fremdsprachen

Im Übrigen können die Studierenden zwischen acht verschiedenen Fremdsprachen wählen; Englisch ist allerdings obligatorisch. Für die ausländischen Studierenden aus nicht-frankophonen Herkunftsländern gibt es einen studienbegleitenden, das ganze akademische Jahr dauernden Französischkurs.

Sport

Außerdem besteht die Möglichkeit für die Studierenden der ENSAE, im Verbund mit anderen Grandes Ecoles diverse Sporteinrichtungen zu nutzen; ca. 20 verschiedene Sportarten werden angeboten. Für die Teilnahme an diesen Sportangeboten werden Bonuspunkte vergeben.

Prüfungsleistungen

Nach Ende der Vorlesungszeit finden in einer Woche alle schriftliche Prüfungen statt (selten mündliche), die ausschließlich den in der Vorlesung behandelten Stoff zum Gegenstand hat. Außerdem wird im Fall der Kernvorlesungen im zweiten Jahr (mathematische Statistik, Ökonometrie, Zeitreihenanalyse, Mikro- und Makroökonometrie) die Teilnahme an und Mitarbeit in den Übungen bewertet. Die Prüfungsleistung für die entsprechende Veranstaltung ergibt sich dann als gewichtetes arithmetisches Mittel. In den Lehrveranstaltungen, die die Anfertigung einer Hausarbeit in der Gruppe vorsehen, besteht die Prüfungsleistung der Gruppenmitglieder in eben dieser Hausarbeit. In diesem Fall muss die Hausarbeit auch in einer Präsentation vor einer Jury verteidigt werden.

Zur Bewertung der Prüfungsleistung wird eine Skala von 0 bis 20 verwendet, wobei 20 die höchstmöglich erzielbare Note ist. Die Skala der Noten wird jedoch nicht immer gleichmäßig ausgeschöpft. Daher gibt es auf Anfrage bei ensae(at)wiwi.hu-berlin.de eine Interpretationshilfe der französischen Noten.

Sämtlichen Lehrveranstaltungen ist ein sogenannter Koeffizient zugeordnet, der sich nach Umfang, Schwierigkeitsgrad und nach der Art der Veranstaltung (Pflichtkurs/ optionaler Kurs) richtet. Die Gesamtprüfungsleistung eines Studierenden für ein Studienjahr ergibt sich aus dem mit den jeweiligen Koeffizienten gewichteten arithmetischen Mittel aller abgelegten und bestandenen Prüfungen. Um das Studienjahr zu bestehen und zum folgenden, höheren Studienjahr zugelassen zu werden, müssen die Studierenden der ENSAE einen Durchschnittswert von mindestens zwölf Punkten erreichen. In einzelnen Fächern muss darüber hinaus eine Minimalnote von 6 Punkten erzielt werden. Ist dies nicht der Fall, besteht die Möglichkeit Nachholklausuren zu schreiben.