Humboldt-Universität zu Berlin - Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät

Finance Lange Nacht 2016

Die Vermessung des Risikos.

 

Der folgende Text wurde von StudentInnen der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät erstellt.
Vielen Dank an alle Beteiligten! A.S.

Investitionen und Renditen

Wenn ein Anleger Geld in ein Wertpapier - bspw. die Volkswagen-Aktie - investiert, so tut er das, um eine Rendite zu erhalten. Diese Rendite bestimmt sich anhand der Kursveränderung des Wertpapiers über einen Zeitraum. Erwirbt der Investor eine Aktie mit einem Preis von 100 Euro am Jahresanfang und verkauft diese am Jahresende zu einem Preis von 110 Euro, hat er über das Jahr eine Rendite von 10% erwirtschaftet.

Risikante Renditen: Was ist das? Was ist das nicht?

Riskante Renditen sind Renditen, die nicht perfekt prognostizierbar sind. Statt einer perfekten Prognose (d.h. einer Prognose, die mit Sicherheit stimmen wird) denken wir an verschiedene mögliche Werte, die die Rendite einer bestimmten Investition haben kann. 

Aber wie beschreibt man wie "möglich" ein bestimmter Wert ist? Ein Ansatz beruht auf der Annahme, dass man anhand von historischen Daten bestimmen kann, wie häufig verschiedene Werte auftreten und wie "möglich" es somit ist, diese Werte in Zukunft zu beobachten. Risiko kann dann mit Hilfe eines sog. "Histogramms" dargestellt werden. Hier ist ein Beispiel:

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Gezeigt sind sechs Beobachtungen der Rendite eines Wertpapiers. Dabei wird der Kurs der zugrundeliegenden Aktie an sechs aufeinanderfolgenden Tagen in Relation zu einem Basiswert (in diesem Fall 1) gemessen. Die horizontale Achse zeigt die realisierten Beobachtungen, die vertikale Achse die Häufigkeit, mit der diese vorkommen. So kam innerhalb dieser sechs Tage offenbar zweimal eine Rendite von 10% (1,1) zustande.

Die Häufigkeitsverteilung hat einen Mittelwert von 1,0833. Obwohl dieser Wert nicht ein einziges Mal vorkommt, repräsentiert er den sogenannten "Erwartungswert". Dass die Aktie in Zukunft exakt die erwartete Rendite erwirtschaftet, ist aber mitnichten sicher. Für den Käufer des Wertpapiers besteht damit das Risiko, dass der realisierte Gewinn von dessen Erwartungswert abweicht. Je stärker die Beobachtungen dabei um den Mittelwert schwanken, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass dabei auch besonders extreme (negative wie positive) Ereignisse zu Tage treten. In der Statistik beschreibt die "Varianz" die sogenannte mittlere quadratische Abweichung vom Erwartungswert. Die "Standardabweichung" ist die Wurzel dieser Varianz.

Die Histogramme zweier weiterer Häufigkeitsverteilungen machen dies deutlich:

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Zwar liegt der Erwartungswert der "roten" Aktie mit 1,7083 deutlich über dem der grünen, allerdings ist deren Varianz von 1,7554 (verglichen mit 0,0381 der grünen Aktie) auch um ein Vielfaches größer. Dies liegt unter anderem daran, dass die Spanne der Beobachtungen (0,05 bis 3) deutlich größer ist als im vorherigen Fall (0,8 bis 1,4). Der umgekehrte Fall gilt für die blaue Aktie: Die Beobachtungsspanne reicht hier nur von 0,95 bis 1,1. Der Mittelwert (1,0083) liegt nah am häufigsten Wert der Verteilung (1) und die Varianz fällt mit 0,0020 sehr klein aus. Das Risiko einer "Überraschung" ist bei einem Investment in dieses Papier somit am kleinsten.

Was aber ist in dem soeben dargestellten Risikokonzept NICHT berücksichtigt? Ein Beispiel: das Risiko, dass man bei einer Investition vom "falschen" Rendite-Histogramm ausgeht!

Der richtige Umgang mit Risiken: Diversifikation

Das Risiko eines Portfolios

Das Risiko eines Portfolios ist nicht einfach nur die Summe der einzelnen Varianzen der Wertpapiere, sondern hängt davon ob wie gleich- oder gegenläufig sich die Renditen verschiedener Bestandteile des Portfolios entwickeln. Das wird statistisch durch die Korrelation von Renditen beschrieben, die (definitionsgemäß) zwischen -1 und +1 liegt. Hier sind einige Diagramme, die verschiedene Korrelationen von Kursverläufen illustrieren:

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Risikominimierung durch Diversifikation im Portfolio

Beim Treffen einer Investitionsentscheidung entsteht immer ein Trade-Off zwischen Risiko und Rendite. Dieses Risiko besteht aus zwei Komponenten: Zum einen das systematische Risiko, welches nicht durch Diversifikation beseitigt werden kann (vorstellbar als das Risiko, dass alle denkbaren Assets zur gleichen Zeit tendentiell schlechte Renditen abwerfen). Zum anderen das unsystematische Risiko, welches durch Diversifikation eliminiert werden kann.

Warum und wie ist das möglich?

Nehmen wir das Beispiel der Volkswagen-Aktie: War man auschließlich Halter der VW-Aktie, so hat man aufgrund des Abgasskandals große Verluste gemacht. Hätte man nun diese Aktie in einem Portfolio mit Wertpapieren des Nike Konzerns kombiniert, der in einer anderen Branche tätig ist (daher eine niedrige bis negative Korrelation der beiden Assets), gehalten, so hätten die Verluste ausgeglichen werden können.

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Quelle: finanzen.net

Ein weiteres Beispiel

Je mehr Assets aufgenommen werden, desto wirksamer ist automatisch der Ausgleich der einzelnen Risiken untereinander. Hätte man theoretisch unendlich viele Assets in seinem Portfolio, so bliebe lediglich das systematische Risiko (siehe Grafik unten). Der Investor wird für das Halten dieses Risikos - und zwar nur dieses Risikos - durch die Rendite kompensiert.

 

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Zur Grafik: StD : Standardabweichung eines Portfolios, Maß für das Risiko

In der Praxis: Indexfonds als Diversifikationsinstrument

Was sind Indexfonds?

Indexfonds existieren seit den 1970er Jahren und sind Investmentfonds, die einen bestimmten Index, wie z.B. den DAX oder den Dow Jones, nachbilden. Sie orientieren sich somit an einem Bezugswert (Benchmark), der erreicht werden soll. Das tun sie, indem sie in die im Index enthaltenen Wertpapiere investieren und zwar in dem Verhältnis, wie der Index sie abbildet.

Diese Indexfonds werden zum Teil als konventionelle Fonds angeboten. Seit den 1990er Jahren werden jedoch Exchange-traded funds (ETF) immer populärer und machen mittlerweile den Großteil der angebotenen Indexfonds aus. Ein ETF ist wie der Name schon sagt ein börsengehandelter Investmentfond.

Der Sinn hinter solchen Indexfonds besteht darin, durch die breite Diversifikation der Wertpapiere das Risiko bzw. die Varianz der erwarteten Rendite im Portfolio zu minimieren und so eine möglichst sichere Rendite zu gewährleisten.

Und so funktioniert’s

Zu aller erst ist es notwendig, die Wertpapiere breit zu streuen. Zweite Voraussetzung ist, dass die Wertpapiere nicht 100% positiv miteinander korreliert sind. Wäre letzteres der Fall, würden alle Wertpapiere sich zu jeder Zeit in die gleiche Richtung entwickeln und aller Aufwand der Portfoliozusammenstellung wäre für die Katz.

Kauft und streut man nun die Wertpapiere in einem hypothetischen unendlichen Ausmaß, sinkt die Varianz auf 0. Was so viel bedeutet, als dass kein Risiko mehr vorhanden ist und die erwartete Rendite eine sichere Rendite ist.

Das klingt nicht nur überzeugend, sondern ist auch in der Realität der Hauptgrund für Indexfonds. Einziger Nachteil in der Realität: Es gibt nicht unendlich viele Wertpapiere und ein kleines systemisches Risiko bleibt immer bestehen.

Dennoch ist das Geschäft so verlockend, dass die Branche boomt und laut Black Rock, dem größten EFT-Anbieter weltweit, jährlich um 20% an Volumen zulegt. So kommt es, dass im Juli 2015 erstmals das Volumen börsengehandelter Indexfonds mit 2,73 Billionen US $ das von Hedgefonds überstieg.

Indexfonds: Die jüngste Entwicklung in Zahlen

In den letzten Jahren hat die Beliebtheit der ETFs oder Indexfonds stetig zugenommen. Die Anlageklasse fand auch in den Wirtschaftsrubriken der Presse immer stärkere Beachtung. Zudem scheint sich sowohl unter Privatanlegern als auch professionellen Vermögensverwaltern herumgesprochen zu haben, dass sich mit indexbasierten Fonds Renditen besonders kosteneffizient erzielen lassen.

 

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Datenquelle: FAZ: „Anlagetrend ETF“, Dennis Kremer. 03.01.2016.

 

Zu den größten Anbietern von ETFs die an deutschen Börse und von deutschen Banken gehandelt werden gehören Blackrock, die Deutsche Bank, Lyxor und die Commerzbank.

Neben des stetig gestiegenen Anlegerkapitals sind auch das Wachstum der verschiedenen Arten von Fonds bemerkenswert: Noch 2005 gab es rund 160 verschiedene ETFs in Europa – bis zum Jahr 2015 hat sich diese Zahl auf über 1500 fast verzehnfacht.

Kein Wunder, dass sich unter den vielen neu aufgelegten Fonds auch solche befinden, die dem klassischen Bild eines Indexfonds immer weniger entsprechen. So bilden viele der „Neuentwicklungen“ nicht mehr ausschließlich einen der großen Indizes nach – wie beispielsweise den DAX oder den Dow Jones. Vielmehr gibt es neue, sogenannte „smarte“ ETFs, welche beispielsweise versprechen, über die Zeit besonders wenig zu schwanken („Minumum Volatility“), oder die verstärkt Aktien beinhalten, die hohe Dividenden ausschütten („High Dividend“).

Damit nähern sich die Indexfonds immer stärker aktiv gemanagten Fonds an, welche ebenfalls oft bestimmte Strategien verfolgen. Dennoch sind die Smart-ETFs derart konstruiert, dass alle Anpassungen der Fondsbestandteile automatisch erfolgen und einem vorher strikt definierten „Plan“ folgen – ein Fondsmanager ist demnach nicht vonnöten und die Kosten können somit minimiert werden.

Interessant gestaltet sich auch, wie Banken neu aufzulegende ETFs testen, bevor sie auf den Markt kommen. Mit dem sogenannten „Backtest“ soll überprüft werden, wie sich ein noch „junger“ Indexfonds im historischen Vergleich geschlagen hätte. Dabei werden historische Kursdaten verwendet, um beispielsweise zu rekonstruieren, wie sich ein neuer ETF zu Zeiten der Finanzkrise 2007/08 verhalten hätte um Rückschlüsse auf seine Krisenfestigkeit zu ziehen.

Zusammengefasst handelt es sich bei ETFs also um interessante Finanzprodukte, welche es jedem – aber insbesondere auch privaten Investoren – erlauben, kostengünstig zu diversifizieren und abhängig von ausgewählten ETF auch langfristig von Wertsteigerungen in der Anlageklasse Aktien zu profitieren.